Rezension: Anno 1701

Wie Facebook-Abonnenten bereits wissen, kam letzten Freitag im Rahmen eines Mottospieleabend das Spiel Anno 1701, das meine Freundin auf Darmstadt spielt gewonnen hatte, auf den Tisch. Ein Spiel von Klaus Teuber in prächtigster Siedlermanier, das wunderbar das digitale Vorbild mit einem der besten Brettspiele verbindet.
Wusstet ihr übrigens, dass die Quersumme aller Anno-Teile immer neun ergibt? Ich bis vorgestern auch nicht, als ein Freund den Fun-Fakt teilte. Rechnet’s ruhig mal nach 😉 Und nun, in medias res!

Spieldaten

  • Spieleranzahl: 3 – 4
  • Alter: 10+
  • Spieldauer: 60 – 120 Minuten
  • Preis: gebraucht ca. 40 €,

Spielmaterial

Die Schachtel enthält Rohstoffkärtchen, Goldmünzen, Gebäude in Hexagon-Form, Schiffe und Marker für alle Spieler und darüber hinaus natürlich noch das variable Spielbrett und ein Siedlungstableau für jeden einzelnen. Das ganze wird durch zwei Würfel und Ereigniskärtchen ergänzt. Im Grunde also schon ziemlich viel Material für den Preis. Etwas schade ist die Form des Spielbretts. Dieses besitzt Lücken, die mit siedlertypischen Hexagons ausgefüllt werden. Da in der Mitte des Bretts aber ein Falz ist, besitzt das Feld einen leichten Huppel, wodurch die Hexagons hin und her rutschen.

Spielziel

Anno 1701 Spielaufbau

Spielaufbau

Alle Spieler sind im Auftrag der Königin unterwegs und besiedeln neue Landstriche. Dabei hat jeder Spieler bereits zu Beginn eine Insel bebaut. Die seltenen Rohstoffe wie Tabak und Rum gibt es aber nur auf noch unbekannten Inseln, die erst mit einem Schiff erkundet werden müssen. So entsteht ein Wettlauf um die seltenen Rohstoffe und um letztlich die Gunst der Königin. Wer es schafft fünf Gunstmarker zu setzen, gewinnt.
Insgesamt ist Anno 1701 als Szenario zu Siedler von Catan zu verstehen, das aber ohne externe Materialien zurecht kommt und wunderbar die Thematik aus der berühmten Computerspielreihe aufgreift.

Spielablauf

Anno 1701 Spielertableau

Spielertableau

Die grobe Mechanik orientiert sich sehr stark an der Siedler-Reihe, auf die ich hier nicht gesondert eingehen möchte. Die meisten werden ohnehin mit ihr vertraut sein.
Insgesamt macht jeder Spieler reiheum seinen Zug, der darin besteht, dass er zunächst Erträge erwürfelt und danach handelt bzw. baut. Zu Beginn haben alle Spieler bereits eine teils bebaute Insel, auf der sie Rohstoffe bekommen können.

Anno 1701 - Rohstoffe

Rohstoffe

Derer gibt es Holz, Tuch, Werkzeug und Lehm. Rum und Tabak kann später auf den unerforschten Insel geerntet werden. Die Erträge zu Beginn des Zuges werden mit zwei Würfeln bestimmt, wobei im Unterschied zum normalen Siedler nicht nur bei einer sieben ein besonderes Ereignis stattfindet, sondern auch bei einer zwei und einer zwölf. Dieses besondere Ereignis wird von einem Ereigniskartenstapel gezogen und kann Rohstoffverluste oder Goldein- und -abgaben bedeuten.

Zum Bauen stehen Gebäude und Schiffe zur Auswahl. Beides kostet Rohstoffe, die man entweder vorher erwürfelt oder mit den Mitspielern erhandelt hat. Von Anfang an ist es möglich, drei gleiche Rohstoffe (nicht vier, wie im Original-Siedler) oder drei Gold gegen einen beliebigen Rohstoff zu tauschen. Gebäudeplättchen, die man sich für Gold kauft und für Rohstoffe baut (solange Platz auf der Insel ist), erleichtern teilweise das Wirtschaften der Rohstoffe. Von diesen Gebäuden gibt es zwei Typen: Einfache und Fortgeschrittene. Letztere dürfen nur gebaut werden, sobald man Bürger auf seiner Insel angesiedelt hat. Weiterhin kann man, konform zu Anno, auch noch Kaufmänner und Aristokraten ansiedeln. Diese Ansiedelung kostet viele Rohstoffe, bringt aber dafür Gunstpunkte. Im Grunde kann man also bereits drei der fünf zum Sieg notwendigen Gunstpunkte auf der eigenen Insel holen. Die übrigen können durch spezielle Gebäude oder auf dem Gunsttableau erworben werden.

Anno 1701 - Gunsttabluea

Gunsttableau

Auf dem Gunsttableau werden Gunstpunkte entweder für das Spenden von Gold, dem Gründen von sieben Kolonien oder für das Anführen einer Punkteleiste vergeben. Derer gibt es insgesamt drei Stück: eine für Kanonen, eine für Handel und eine für zufriedene Bürge – alles Elemente aus dem Computerspiel, die im Wesentlichen aber der größten Ritter- bzw. -handelsmacht aus Siedler entsprechen: Sobald einer drei Punkte auf einer Leiste hat, bekommt er einen Gunstpunkt und behält diesen solange, bis jemand ihn überholt. Klingt vertraut, oder? Mit dem Unterschied, das das Voranschreiten auf der Leiste auch mit Spielvorteilen verbunden ist. So geben beispielsweise zufriedene Bürger mehr Steuern.
Auf der Leiste kommt man letztendlich nur über das Bauen von Gebäuden oder, und nun wird es spannend, durch das Erkunden von Inseln voran.

Dazu müssen Schiffe gebaut werden, die dann auf das zentrale Spielbrett gelegt werden. Jede Runde darf man das eigene Schiff um vier Felder – ggf. mehr, falls Gebäude mit Segeln gebaut wurden – bewegen. An Ankerpunkten kann angelegt und die Insel erforscht werden. D.h. man schaut heimlich unter die am Anfang noch verdeckt liegenden Hexagons. Gefallen einem die Felder, darf man dort direkt das Schiff gegen eine Kolonie eintauschen, welche in Zukunft dann Erträge erwirtschaftet oder die Marker des Gunsttableaus bewegt. Neben normalen Rohstoffen sind auf den Inseln Tabak, Rum, aber auch Gold zu finden. Die Insel weiter weg sind in der Regel auch gewinnbringender.
Achtung ist bei Wasserfeldern mit einem Fragezeichen geboten. Dort trifft man auf eine Zufallsbegegnung, die u.a. entweder Gold einbringt, oder im Falle von Piraten einen Gold verlieren lässt oder an den Anfang des Brettes zurückbefördert.

So geht das Wirtschaften und Siedeln seinen Lauf, bis jemand mit fünf Gunstpunkten seinen Sieg verkünden kann. Wichtig ist hier aber, dass der Spieler keinen Aufruhr im eigenen Dorf hat. Dieser kommt immer, sobald der Spieler weniger als drei Goldmünzen besitzen sollte und verhindert die Einfuhr von Erträgen bei einer gewürfelten sechs oder acht. Siedlerkenner oder Mathematikaffine wissen, dass dies die wahrscheinlichsten Ertragszahlen sind, weshalb ein Aufruhr auch besonders schmerzen kann.

Bewertung

Nun zur Abschlussbewertung. Hier nochmal ein Hinweis auf meine Skala.

Kategorie Kritik Note
Spielspaß
(doppelt gewertet)
Anno 1701 tritt in große Fußstapfen. Der bekannte Siedlermechanismus ist toll und konstruktiv, da jeder Spieler denkt, jede Runde voranzukommen, ungeachtet, was die anderen machen. Durch das Verändern einiger Stellschrauben spielt sich das Spiel aber viel flotter und unterhaltsamer als sein großer Bruder.  9
Langzeitmotivation
(doppelt gewertet)
Wie bei Siedler auch ist das Spiel schnell entdeckt. Spätestens nach dem dritten Spiel hat man jede Gebäudesonderfunktion kennengelernt. Im Grunde schreit das Spiel deshalb eigentlich, genauso wie die ganze Siedler-Reihe, nach Erweiterungen, wovon es aber leider bisher keine gibt. Dennoch macht das Spiel in neuer Spielerkonstellation immer wieder aufs Neue Spaß. 7
Atmosphäre
(doppelt gewertet)
Während des Spielens fühlt man sich wirklich wie im Schnittpunkt von Anno 1701 und Siedler von Catan. Alles ist perfekt aufeinander abgestimmt und mit richtiger Hintergrundmusik kommt der innere Siedler heraus! Es fehlt nur noch die Stimme aus dem Computerspiel, die einen auf fehlende Rohstoffe aufmerksam macht 😉  9
Innovationscharakter
(einfach gewertet)
Das Spiel ist in dem Sinne nicht neu, da es einfach Bestehendes verbindet. Und selbst die Idee Videospiele als Brettspiel zu simulieren ist bereits älter. Anno 1701 schafft es aber, die Verbindung zu meistern. Nicht so wie beispielsweise Warcraft III, das sich nur stockend spielt, da die Berechnungen, die der Computer eigentlich macht, nun per Hand gemacht werden müssen. 6
Komplexität
(einfach gewertet)
Es gibt mehrere Strategien, die zum Sieg führen: Seine eigene Insel ausbauen, voll auf das Erkunden gehen, Gold anhäufen und so Gunst bekommen usw. Auch die zwischenmenschliche Ebene, die beim Handeln zum Tragen kommt, geben dem Spiel eine komplexe Note.  8
Aufbereitung
(doppelt gewertet)
Das Spiel ist schön anzusehen und wirkt erfrischend. Es wurden Originalgraphiken und -schriftzüge verwendet. Das Material ist aber leider verbesserungswürdig. Zwar gibt es Inlays für Rohstoffe, aber das Brett hakt und die Schachtelaufteilung ist auch eher willkürlich  5
Gesamtnote Anno 1701 ist als Siedlerszenario ein tolles Spiel, das alle Anno-Fans mal testen sollten. Wer Anno nicht kennt, wird dennoch seinen Spaß haben. Rechnerisch ist das Spiel knapp an der 8 vorbeigeschrappt. Der Gesamteindruck ist aber auf jeden Fall 8 Punkte wert! 8

Übrigens, wie ich am Freitag abgeschnitten habe, könnt ihr hier nachlesen 😉