Rezension: M.U.L.E.

1983 – der Kalter Krieg dauert an, der C64 ist noch brandneu, die Red Hot Chili Peppers werden gegründet und M.U.L.E. wird veröffentlicht.

Aber dies soll keine Oldie-Review werden, sondern eben dieses legendäre Computerspiel (von denen viele wohl bisher nichts gehört haben) wurde 2015 in ein Brettspiel umgesetzt.

Eckdaten

  • Spieleranzahl: 3 – 4
  • Alter: ab 14 (würde persönlich ab 12 sagen)
  • Spieldauer: 30 Minuten pro Spieler (eher mehr)
  • Preis:

Spielmaterial

SpielaufbauDie Qualität ist gut, fast alle Teile bestehen aus schön dicker Pappe. Leider sind ein paar Karten doppelseitig bedruckt, so dass es bei der Auswahl eine Beschränkung gibt. Positiv hingegen sind Kurzübersichten für jeden Spieler. Auch sind die meisten Spielmechaniken auf dem Spielmaterial abgebildet, was besonders beim Einstieg hilft.
Die Grafiken sind gut gelungen, zumindest in meinen Augen.
In der Box sind genügend Plastiktütchen enthalten, das Inlay selber ist dazu noch passend bedruckt.

Das Spiel ist komplett in englisch, da es in Finnland verlegt wurde, allerdings ist bis auf die Ereigniskarten kein Lesen nötig.

Spielziel

Drei bis vier frischgebackene Kolonisten (ein bunter Haufen Aliens, Menschen gibt es auch) landen auf dem unbesiedelten Planten Irata (jup, kam für den Atari raus). Dazu kommt noch ein Kontor (Store) zum An- und Verkauf, welches auch noch die wichtigen Roboter (M.U.L.E.s) herstellt. Der Boden wird verteilt und bebaut, Handel wird getrieben und nach 6 bzw. 7 Runden kommt das große Kolonialraumschiff wieder und der Reichste gewinnt.

Also ein „klassisches“ Aufbauspiel, wobei es aber auch noch eine Gesamtwertung für die Kolonie gibt, ob man demnächst am Hungertuch nagen muss oder in Luxus schwelgen kann.

Spielablauf

Das Spiel ist stark am Original angelehnt, was den reinen Ablauf, aber auch einige Mechaniken betrifft. Wie im Computerspiel gibt es auch hier die Möglichkeit für eine Einsteigervariante.

Zunächst wird eine Alienrasse ausgewählt, die alle verschiedene Vorteile haben – bis auf die Menschen, die haben nur Nachteile („because they are too smart…“)

Auf dem neuen Planeten angekommen muss Nahrung angebaut (für Aktionen), Energie erzeugt (für die Roboter halt), Eisen abgebaut (für neue M.U.L.E.s) und dazu kann noch nach wertvollen Kristallen (Crystite) geschürft werden, die zwar nicht überlebenswichtig sind, aber halt gut Geld bringen.

Im Spielaufbau werden die Landplättchen aus einem Pool gezogen, wobei die Produktion an Crystite zunächst verborgen bleibt. Die Landschaften bestehen aus Flüssen (gut für Essen, kein Bergbau), Ebenen (gut für Energieerzeugung) und kleinen bzw. großen Gebirgen (gut für Eisen).

Es werden, wie oben schon erwähnt, 6 bzw. 7 Runden gespielt. Jede Runde ist in 8 Phasen eingeteilt, wobei einige während des Spielens auch zusammengefasst werden können.

Zunächst kommt die Landverteilung: Jeder kann sich ein Stück Land auswählen, was er/sie auf sein/ihr eigenes Tableau legt. Dazu können in der vollen Version auch noch zusätzliche Landauktionen gestartet werden.

Dann werden auf den eigenen Ländereien die M.U.L.E.s installiert, verschoben, umprogrammiert (z.B. von Essen auf Eisen), nach Crystitevorkommen gesucht, der arme Wampus gejagt (gibt Extrageld) und, falls noch Zeit ist, im Pub noch etwas Geld erspielt. Um all dies machen zu können wird das Essen benötigt. Die Aktionen sind dabei unterschiedlich „teuer“, was dem ursprünglichen Spiel nachempfunden wurde.
Dann wird produziert, wobei benachbarte Felder mit gleicher Produktion einen Bonus erhalten. Doch ein fremder Planet hat so seine Tücken, welche durch Zufallsereignisse in dieser Phase dargestellt werden: Von erhöhter Energieproduktion durch erhöhte Sonnenaktivität über gefräßige Insekten und Erdbeben bis hin zu Piratenüberfällen kann so einiges passieren.

Des einen Leid ist des anderen Freud…
Mit dem teilweise stark reduzierten Ertrag kann man im Anschluss handeln. Das Kontor kauft und verkauft dabei je Nachfrage oder Überschuss, was vorher festgelegt wird. Hier kann der/die Alien auch Lücken füllen, entweder aus dem Kontor oder von den Mitkolonisten. Das Kaufen und Verkaufen ist dabei reine Verhandlungssache, nur kann man jedes einzelne Gut entweder kaufen oder verkaufen. D.h. in einer Runde ein paar Steine eines Rohstoffs zu verkaufen und die anderen zu kaufen ist nicht möglich.

Zum Ende wird noch das Ranking für die nächste Runde festgelegt, dem Geld nach und abschließend gibt es ein positives Ereignis, was der Führende einem/-er anderen MitspielerIn geben muss. Der/die verteilt dann wiederum beliebig ein negatives Ereignis. Catch-Up-Mechanik lässt grüßen.

In der Anleitung werden gleich einige weitere optionale Regeln/Varianten angeboten, wie z.B. eine zufällige Rundenanzahl, andere Verteilung der Ereignisse am Rundenende, alternatives (näher am Original) Ranking.

 

Bewertung:

Hier nochmal ein Hinweis auf unsere Skala.

Kategorie Kritik Note
Spielspaß
(doppelt gewertet)
Wie im Original kann man herrlich den Kapitalisten in sich entdecken: Rohstoffe aufkaufen und teuer verkaufen oder halt solche Versuche untergraben. 8
Langzeitmotivation
(doppelt gewertet)
Durch das variable Spielbrett und die verschiedenen Rassen ist jedes Spiel etwas anders. Der Kernpunkt ist jedoch die Interaktion zwischen den SpielerInnen. Allerdings muss auch gesagt werden, dass die Anzahl der grundlegenden Strategien, im Gegensatz zu Perlen der komplexen Spiele, wohl etwas beschränkter sind. 7
Atmosphäre
(doppelt gewertet)
Durch das eigene Tableau kann jeder sein eigenes kleines „Reich“ errichten, der eigene Rassenbonus verstärkt dies noch weiter und die Zufallsereignisse mit passenden Flufftexten unterfüttert stellen die unberechenbare Umwelt dar. 8
Innovationscharakter
(einfach gewertet)
Tja, das Brettspiel ist eine Übersetzung eines Computerspiels – insofern ist Innovation zu beurteilen schwierig. An sich ist das Spiel ein aktionsbasiertes Handelsspiel, neu im Bereich Brettspiele dabei vielleicht die dynamische Umwandlungen der Produktion. 7
Komplexität
(einfach gewertet)
Man sollte zwar die Mitspieler im Auge behalten und auch die eigenen Ressourcen für die nächste Runde berücksichtigen, dennoch erfordert das Spiel bei weitem weniger Denktiefe als andere Vertreter von komplexen Spielen. 6
Aufbereitung
(doppelt gewertet)
Die Grafiken unterstützen gut die Idee des Kolonisierens, das Spielbrett zeigt durch kleine Darstellungen wichtige Mechaniken.
Die Qualität des Spielmaterials ist gut, kleines Manko sind die Rassenkarten: sie sind beidseitig mit verschiedenen Rassen bedruckt, so dass eigentlich immer nur eine der beiden gespielt werden und die Vielfalt dadurch eingeschränkt wird.
7
Gesamtnote Ist es M.U.L.E.? Ja! Wer das Computerspiel kennt, wird sich schnell zurechtfinden, sogar die meisten Kosten sind übernommen worden.
Funktioniert es auch als Brettspiel? Ja, aber schon etwas anders als auf dem Computer.
Dennoch: die Mechaniken greifen gut ineinander, das Spielgefühl des Originals kommt gut rüber. Man kann künstlich Rohstoffe verknappen, um sie dann teuer zu verkaufen, man kann versuchen, sich zu spezialisieren, um effizienter zu produzieren, aber ist dadurch extrem abhängig von den „Zulieferern“, man kann Mitkolonisten überlebenswichtige Ressourcen vorenthalten, wenn diese sich „auf den Markt“ verlassen haben. Es ist kein absoluter Überflieger, aber dennoch ein sehr schön gestaltetes Spiel, nicht ganz billig. Ein Spiel, welches gut funktioniert und gleich durch die Autoren so angelegt ist, dass es nach den eigenen Wünschen modifiziert werden kann.
Für (die wenigen) Fans des Computerspiels sicherlich ein Muss, für andere, die wirtschaftliche Simulationen mögen, sicher eine gute Wahl, falls der Preis nicht abschreckt.
8

Anmerkung:

Einen (offiziellen) Klon des Originalspiels kann man kostenlos online spielen – gegen Computergegner (langweilig) wie auch gegen echter Mitspieler:
http://www.planetmule.com
Ich bin da auch zu finden – einer der Verrückten unter den Top20 der Alltime-List… 😉